Fast wie neu by Smolinski Jill
Autor:Smolinski, Jill [Smolinski, Jill]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41777-5
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-05-29T04:00:00+00:00
»Hallo?« Meine Mutter klingt atemlos, als sie ans Handy geht.
»Rufe ich zu früh an?« Gestern habe ich es gerade noch geschafft, die Luftmatratze aufzupumpen, bevor ich vor Müdigkeit umgekippt bin, aber trotzdem bin ich schon vor dem Morgengrauen aufgewacht. Erst habe ich noch ein wenig in der Erinnerung an die Knutscherei mit Niko geschwelgt, an die Wärme und Schwere seines Körpers. Aber gleich darauf schob sich der Streit mit Daniel dazwischen, gefolgt von Marvas möglichen Selbstmordplänen – und das machte endgültig allen Tagträumen, mit denen ich mich hätte amüsieren können, den Garaus.
Ich weiß mir keinen Rat. Vom Gefühl her müsste ich Will alles sagen, da er ihr nächster Angehöriger ist. Das gehört sich doch so. Wenn jemand wüsste, dass Ash selbstmordgefährdet ist, würde ich es schließlich auch erfahren wollen. Ich war immer noch sauer, dass nie jemand eine Andeutung gemacht hatte, wie schwerwiegend das Drogenproblem meines Sohnes war. Da musste erst ein Taxifahrer kommen.
Das Problem ist nur, dass Will ein solcher Idiot ist. Es kann gut sein, dass er mir die Schuld gibt.
»Nein, überhaupt nicht«, sagt meine Mutter. »Ich bin gerade im Einkaufszentrum und sehe mich ein bisschen um. Dein Vater hat schon nach zehn Minuten schlappgemacht. Er sitzt bei Starbucks und isst einen Muffin. Um was geht’s?«
»Ich brauche deinen mütterlichen Rat. Nehmen wir mal an, ich wüsste, dass sich jemand umbringen will.«
»Wer denn?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Doch nicht etwa einer deiner Brüder?«
»Es ist niemand, den du kennst. Eine ältere Frau mit einem erwachsenen Sohn, aber sie hält es vor ihm geheim. Ich würde ihn gerne warnen, damit er es ihr ausreden kann, aber ich bin mir nicht sicher, dass er das tun wird. Vielleicht würde es die Sache nur noch schlimmer machen.«
»Geht es vielleicht um deine Tante Joyce?«
»Mom.«
»Schon gut. Lass mich nachdenken.« Nach einem Moment fragt sie: »Weißt du, warum sie es tun will?«
»Depressionen wahrscheinlich. Warum sollte man sich sonst umbringen?«
»Du hast gesagt, dass sie älter ist. Vielleicht ist sie ja todkrank und will in Würde sterben? Das wäre doch nachvollziehbar. Niemand will seinen Kindern zur Last fallen.«
Ich denke kurz darüber nach. »Vielleicht hast du recht. Sie ist nur ein paar Jahre jünger als du, aber es kommt regelmäßig ein Pfleger zu ihr, und vor kurzem war sie im Krankenhaus. Es ist also durchaus möglich.«
»Da hast du’s!«, ruft meine Mutter triumphierend.
»Außerdem lebt sie sehr zurückgezogen und hat bis auf den Krankenhausaufenthalt das Haus schon seit Jahren nicht mehr verlassen. Vielleicht will sie wirklich ihrem Elend ein Ende machen.«
Wir gehen noch ein paar Minuten die verschiedenen Möglichkeiten durch, bis ich verwirrter bin als vor dem Telefonat. »Danke, ich muss jetzt Schluss machen«, sage ich.
»Weißt du schon, was du tun willst?«
»Zuerst werde ich wohl versuchen herauszufinden, ob sie sowieso sterben wird und das Ganze nur beschleunigen will. Wo wir gerade dabei sind, wenn du jemals vorhast, zu einer solch radikalen Maßnahme zu greifen, würdest du mir dann bitte Bescheid geben?«
»Ich verspreche es. Ich nerve deinen Vater schon die ganze Zeit damit, eine Patientenverfügung zu verfassen. Wenn es jemals so weit kommen
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